Contemporary Art
Tilmann Zahn: Dunkles Boot

Tilmann Zahn

Werke


Über den Künstler

Wenn Eisen verrostet, brechen, meist von den Rändern her, kleine schollenartige Stücke ab, die dann, mehr oder weniger schnell und einem Blätterteig ähnlich, zu Krümeln und schließlich zu Staub zerfallen. In diesem Zustand des Zerfallens ist sogar ein dickes Eisenblech weniger belastbar als Papier. Man könnte sagen, dass selbst die gewaltigste Eisenkonstruktion, so stabil und unverrückbar sie auch scheinen mag, nichts weiter ist als Material in einem Übergangsstadium: Nicht mehr flüssig, noch nicht Staub. […] Man könnte auch sagen, dass, wenn ein Bauwerk zu Staub zerfallen ist, es nicht etwa von nun an inexistent wäre, sondern nur die Form geändert hat. Die Vergänglichkeit ist, bei näherer Betrachtung, auch den stolzesten Gebilden eingeschrieben wie eine versteckte Gravur, und gerade die Zeichen der Vergänglichkeit sind es, die ihnen ihre Schönheit verleihen: Die Spuren all dessen, was ein Objekt während seines Daseins „erlebt“ hat, bleiben als enigmatische Botschaften auf ihm zurück, bis schließlich das Objekt zusammen mit seiner eingeschriebenen Geschichte langsam zurücksinkt in den fortwährenden Strom von Entstehen und Vergehen.
Die Bauwerke der Menschheit, die komplexen, manchmal aberwitzigen Konstruktionen der industriellen Welt, die urbanen Landschaften rund um den Globus, die kühnsten Schöpfungen ganzer Generationen von Ingenieuren und Architekten, sie alle in ihrer brachialen Schönheit, teilen doch ein und dasselbe unausweichliche Schicksal: Bereits mit ihrem Entstehen beginnen sie, zunächst unmerklich zwar, jedoch unaufhörlich und unerbittlich, zu Staub zu zerfallen.
Im Verfall befindliche Dinge bergen magische Rätsel, und diese Rätsel lösen einen Assoziationsprozess in mir aus, an dessen Ende die Ölpapiere stehen. Die verdünnte Ölfarbe durchdringt das Papier und lässt dabei eine Tiefenwirkung entstehen, die Platz für die Geheimnisse der Orte bietet, die mich inspirieren. Diese Tiefenwirkung erlaubt es mir auch, meine eigenen Geheimnisse in das Papier zu gravieren oder, wie in den auf fotografischen Vorlagen basierenden Arbeiten, dem Bild ein Fragment eines Textes einzuschreiben, der mit dem Fundort in Verbindung steht.
Das Papier ist dabei gleichermaßen Bildträger wie auch selbst Bild, da das Verfahren des Herausreißens einzelner Stücke aus dem Papier ein Gebilde entstehen lässt, das eher einer Skulptur gleicht als einem gemalten Bild. Die Risskanten des Papiers lassen sich variieren und können so gestaltet werden, dass sie die Vermischung von organischem und nicht-organischem Material nachempfinden, wie sie sich ergibt, wenn beispielsweise eine im Zersetzungsprozess befindliche Eisenkonstruktion von Erdreich bedeckt wird.
Papier ist ein fragiler Werkstoff, und das Nachschöpfen massiver Eisenkonstruktionen mit zartem Papier entspricht der Idee, dass letztlich alles gleichermaßen stabil wie fragil ist: Es kommt nur auf den Standpunkt an, von dem aus es betrachtet wird, oder besser: Es kommt auf den Zustand an, in dem es sich gerade befindet. Alles ist in ständiger Veränderung begriffen, alles ist flüchtig, flüchtig wie Staub, wie Eisen. Alles ist permanente Transformation.


Vita

Geboren 1966 in Osnabrück, aufgewachsen in Düsseldorf, lebt seit 1990 in Basel


Ankäufe in öffentlichen Sammlungen

Kunstsammlung Hoffmann-la Roche, Basel, CH
Kunstsammlung der Arbeiterkammer Oberösterreich, Linz, A
Kunstsammlung der Stadt Wil, CH


Ausstellungen

2022 Galerie Maurer, Frankfurt/M (E)
Kunstverein Bad Nauheim
Kunstverein Radolfzell
art Karlsruhe, One Artist Show (Galerie Maurer)
Galerie Ulrike Hrobsky, Wien (A)
2021 Galerie K, Staufen, D (E)
2020 art Karlsruhe, D (Galerie Maurer)
paper positions Berlin, D (Galerie Maurer)
Galerie Nanna Preußners, Hamburg, D
Kultur Bahnhof Eller, Düsseldorf, D
2019 Galerie Maurer, Frankfurt/M (E)
Kunstverein Speyer, D (E)
paper positions Basel, CH
paper positions Frankfurt, D (Galerie Maurer)
Kunstverein Eislingen, D (E)
Kunstverein Kontur im Kunstbezirk, Stuttgart
Galerie Ulrike Hrobsky, Wien, A
2018 Galerie Ulrike Hrobsky, Wien
Papiermachermuseum Steyrermühl
Kunstverein Damianstor, Bruchsal (E)
Roter Salon, Villa Rot, Burgrieden
paper positions München
2017 Galerie Q, Kulturforum Schorndorf, D (E)
Neuer Kunstverein Aschaffenburg
2016 art stage Singapore
Art Austria
Städt. Galerie Villa Streccius, Landau
Kunsttage Winningen
Kunstverein Speyer
Kunstkultur Königsfeld (E)
Kunsthalle Wil, CH (E)
2015 Wichtendahl Galerie, Berlin
Galerie Ulrike Hrobsky, Wien (E)
Landesgalerie Burgenland, Eisenstadt
art Karlsruhe, D, solo show (Wichtendahl Galerie)
2014 Horst-Janssen-Museum Oldenburg
Chelsea Galerie Laufen (E)
2013 Wichtendahl Galerie, Berlin, D (E)
Koppelschleuse Meppen
scope Basel
2012 Kunstverein Marburg
Galerie Ulrike Hrobsky, Wien
2009 Galerie Roland Aphold, Basel, CH (E)
Papiermachermuseum Steyrermühl, A (E)
2008 Galerie Wichtendahl, Berlin, D (E)
Galerie Lorch + Seidel contemporary, Berlin
art Karlsruhe, D, solo show (Galerie R. Aphold)
Berlinische Galerie, Berlin
2007 Galerie Roland Aphold, Basel, CH (E)