Werke
Über die Künstlerin
Drei dicke Wülste umschlingen eine üppig dekorierte Vase. Obwohl die in hellen Pastell-Farben gehaltene Malerei mit dem schlichten Titel „Symmetry“ von 2019 sofort fröhlich erscheint, deutet sich durch das Wort ‚Wulst‘ auch eine bedrohliche Dimension des Bildes an. Sosehr wir das Weiche, Liebliche und Runde begehren, so sehr es uns in Form von Luftballons, Törtchen oder Knetfiguren Befriedigung und Glück verspricht, so verhängnisvoll kann all das im Überfluss sein. Die Wulst kann auch zu einer Schwellung, einer Speckrolle oder – schlimmer noch – zur Geschwulst werden.
Die drei Wülste vermögen die Vase demnach nicht nur dekorativ zu umringen, sondern könnten sie gleichermaßen zum Zerbrechen bringen. Bei den Betrachtern lösen sie den unwiderstehlichen Wunsch aus, sie zu berühren, zu quetschen, zu essen, weisen sie aber im gleichen Moment eiskalt zurück – handelt es sich doch um malerischen Illusionismus. Wir sehen es, wir spüren es, aber wir können nichts anfassen und schon gar nichts kosten. Deshalb provozieren die Bilder zwiespältige Gefühle: Man bemerkt sie mit enormer Sympathie, begeistert sich an der in ihnen präsentierten überraschenden Idee. Zugleich fühlt man sich dem malerischen Effekt wehrlos ausgesetzt, der Immersion erlegen.
In Mona Broschárs Arbeiten geht es oft um diesen Kippmoment: Noch schmiegen sich die Wülste verlockend an, aber im nächsten Moment könnte es zu viel werden, überhandnehmen. Und wenn sich eine lange Zunge wie nach einem Exzess erschöpft ins geleerte Glas legt, wird die Triebhaftigkeit der menschlichen Gelüste gleichermaßen subtil und pointiert vor Augen geführt. Aber die Malereien von Broschár klagen ihre Betrachter keinesfalls an – im Unterschied beispielsweise zu Darstellungen des Schlaraffenlandes. Man denke nur daran, wie Pieter Brueghel der Ältere 1567 dessen Bewohner gezeigt hat: Drei Männer im – man kann es nicht anders sagen – „Fresskoma“, die ihrer eigenen Gier regelrecht zum Opfer gefallen sind.
Broschár tadelt die Betrachter nicht, sie gestattet ihnen die Wollust, an der sie offensichtlich auch selbst Freude hat. Auch die Ästhetik und Wirkung der Konsum- und Popkultur, bei der sich die Künstlerin virtuos bedient, wird nicht nur kritisiert, sondern wird allem voran als Errungenschaft, als visuelles Werkzeug gefeiert. Mit Humor verleiht sie den kleinen und vermeintlich banalen Dingen des Alltags Bedeutung, lässt sie zu Hauptdarstellern einer fiktiven Welt werden. Da gibt es zum Beispiel das Stück Kuchen mit Smarties, so hoch wie ein Turm, an dem man sich nicht satt sehen kann, der aber so gerade und korrekt ist wie ein Ausstellungsstück im Möbelmarkt, so dass man sich wohl die Zähne daran ausbeissen würde. Oder die schwungvolle Zimmerpflanze, der keine Blüte wächst, sondern ein Häufchen. Diese Kippmomente zwischen den Gegensätzen finden nicht nur im Motiv, sondern auch auf formaler Ebene statt: Weiches trifft auf Hartes, Eckiges auf Rundes, Voluminöses auf Flächiges.
Heitere Pastelltöne und vergnügliche Motive wie üppige Eisbecher, große Kuchenstücke, tropische Früchte, bunte Blumen und aufregend geschwungene Pflanzen besiedeln die Bildwelt von Mona Broschár. Durch permanente Reduktion hat die Künstlerin ausdrucksstarke Protagonisten geschaffen. Häufchen, Würste, Törtchen oder Schleifchen tauchen immer wieder auf und bilden zusammen einen eigenen Kosmos. Die Farben und Motive dieses Kosmos lösen eine kindliche Freude aus, denn sie muten regelrecht cute an.
In ihrem Buch „Our Aesthetic Categories – zany, cute, interesting“ (2012) hat Sianne Ngai gezeigt, dass Cuteness ein Leitprinzip der Gegenwartsästhetik ist: Emojis dominieren zunehmend unsere Kommunikation, für Selfies setzen wir digitale Masken mit süßen Tieröhrchen oder Blumenkränzen auf. Pastelltöne wie Roséquarz oder das sogenannte „Millennialpink“ schmücken längst nicht mehr nur Kuscheltiere für Kinder, sondern auch Sektflaschen und Laptops. Diese Niedlichkeit ist oft verbunden mit einer unberührten, entsexualisierten Reinheit – inhaltlich und äußerlich. So führen niedliche Motive unter glatten sauberen Oberflächen allerdings auch überkommene Ideale wie Reinheit und Jungfräulichkeit in die Gegenwart.
Wie überraschend prüde diese Gegenwartsästhetik oft ist, persifliert Mona Broschár in ihrer Arbeit „Zenith“ von 2019: Drei Kugeln Eis lugen aus einem bunt bemalten Pappbecher hervor, gekrönt von einem Schirmchen mit Blumenmuster, der ein schattig grünes Licht auf die Süßigkeit wirft. Die klassischen Geschmacksrichtungen Schoko, Erdbeere, Vanille erinnern an sommerliche Eisdielenbesuche in der Kindheit. In den perfekt geformten Rundungen wird aus der kindlichen Erinnerung eine unbehagliche Perfektion. Aber das ist nur eine erste Irritation. Auf den zweiten Blick lassen sich die Eiskugel nämlich durchaus auch sexuell deuten. Und plötzlich wird das Süße, Kindliche noch auf eine ganz andere Weise lustvoll. Seine Reinheit und Unschuld wird zum Schein erklärt – allerdings ohne dabei den Spaß an den Motiven, Formen und Farben zu verlieren. Denn das eine schließt das andere ja nicht aus: Niedliches ist bei Broschár nicht zwangsläufig unschuldig, sondern kann auch sexy sein, Pastelliges nicht kitschig, sondern schön, ja geradezu erhaben.
(Annekathrin Kohout)
Vita
1985 | * in Bad Säckingen, lebt und arbeitet in Leipzig und Freiburg (im Breisgau) |
2019 | Residenzstipendium May‘rsches Haus, Hamburg |
2016-2018 | Künstlerische Mitarbeiterin in den Fachklassen für Malerei und Grafik von Prof. |
Annette Schröter und Prof. Christoph Ruckhäberle, HGB Leipzig | |
2015-2016 | Künstlerische Mitarbeiterin in den Fachklassen für Malerei und Grafik von Prof. |
Annette Schröter, Prof. Heribert C. Ottersbach und Tilo Baumgärtel, HGB Leipzig | |
2014 | Meisterschülerin bei Prof. Annette Schröter, HGB Leipzig |
2012 | Diplom mit Auszeichnung in Malerei/Grafik bei Prof. Annette Schröter, HGB Leipzig |
2009-2010 | Studium am Camberwell College of the Arts, London, Klasse Prof. Dan Sturgis |
2006-2012 | Studium Malerei/Grafik bei Prof. Annette Schröter, HGB Leipzig |
2005-2006 | Jugendkunstschule Meersburg, Bodenseekreis |
Ausstellungen
2022 | The Ballroom, Galerie LJ, Paris |
There is no sea but the sea, Gallery Meyer Riegger, Karlsruhe | |
Feria ARCO, Gallery L21, Madrid | |
Hiraeth, Philipps Auction House in collaboration with Prior Art Space, Online | |
Artists for Ukraine, Charity Auction, Procrastinarting, Online | |
Bitter Sweet, Galerie Cyprian Brenner, Niederalfingen | |
Chronicles 4, Galerie Droste at KPM, Berlin | |
Breakfast Club, Eligere Gallery, Seoul | |
2021 | Let‘s Date Art, Galerie Cyprian Brenner, Schwäbisch Hall |
ARCO Madrid, Gallery L21, Madrid | |
Summer Camp, GR- Gallery, New York City | |
Eating Sugar? No Papa!, L21 Gallery, Palma | |
HAPPY HOUR, Eve Leibe Gallery, London (Duo) | |
Bounce, Weserhalle, Berlin (E) | |
Bad Girls, Wallspaceplease, Dubai | |
London Art Fair Edit, Eve Leibe Gallery, London | |
JUICY PALACE, Eve Leibe (V-) Gallery, London (E) | |
Young Dreams, Août Gallery, Beirut | |
Soft Spot, Numeroventi, Florence | |
An Absolute Reality, Tuesday to Friday Gallery, Valencia | |
2019 | Gallery Lab A&O Kunsthalle, Leipzig (E) |
Galerie KUB, Leipzig | |
Künstler zu Gast in Harburg e.V., Hamburg | |
2018 | Kunsthalle Basel (CH) |
La Kunsthalle Mulhouse (FR) | |
Kunstverein Freunde aktueller Kunst, Zwickau | |
KTR Kunstraum, Leipzig (E) | |
R.Raum für drastische Maßnahmen, Berlin | |
2017 | SOFT & SOLID, Galerie Maurer, Frankfurt/M (E) |
KunstraUMtext + F , Weißes Ross, Stuttgart | |
Missau/Olbertz, Berlin | |
2016 | Du bist nicht allein, Kulturzentrum am Münster, Konstanz (E) |
Satt-Zentrale, 48h Neukölln, Alte Kindl Brauerei, Neukölln, Berlin | |
Klassentreffen – Meisterschüler von Annette Schröter | |
2006-2016, Kunsthalle der Sparkasse Leipzig | |
2015 | Neverending Paradise, »freiraum«, Leipzig (E) |
Pro- M, 22. Leipziger Jahresausstellung, Westwerk, Leipzig | |
2014 | Galerie Schwind, Frankfurt am Main (E) |
Kein Spaß, Annette Schröter und Meisterschüler, Galerie m2A, Dresden | |
Frisch gepresst, Gruppenausstellung Klasse Schröter, | |
Druckgrafik, »Delikatessenhaus« Leipzig | |
2013 | HOT & BENDY, »freiraum«, Leipzig (E) |
Prints made in Leipzig, Ungarische Universität für Bildende Künste, Budapest | |
AT ITS BEST !, Junge Kunst aus Leipzig, Vertretung des | |
Freistaates Sachsen beim Bund, Berlin | |
2012 | (UN-)DING!, Förderpreis für gegenständliche Kunst |
des Bodenseekreises, Meersburg | |
High End, Projektraum 4.4 Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig | |
Pizza, Projektraum 3.55 Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig | |
2011 | Update – Junge Kunst aus Leipzig, Kunsthalle Sparkasse Leipzig |
Mind the gap! Studenten der Klasse Schröter, Specks Hof, Eureos GmbH Leipzig | |
2010 | Xhibit 2010 – London College of Communication, University of the Arts, London |
CUT – Bourbon, The Biscuit Factory, London | |
2009 | Baustelle 2, Neuwerk – Konstanz |